Sumario: | Die vorliegende Studie, bei welcher es sich um eine leicht überarbeitete Dissertationsschrift (doc.CH-Projekt) handelt, untersucht die Editions- und Rezeptionsgeschichte des jüdischen Schriftstellers Flavius Josephus († ca. 100 n. Chr) in der Zeit des Basler Humanismus. Die ursprünglich auf griechisch verfassten Werke des Josephus, die von den Christen seit der Spätantike als zentrale Quelle für jüdische Religion und Geschichte intensiv rezipiert wurden, waren im westlichen Mittelalter nur noch in einer sehr weit verbreiteten, jedoch mangelhaften und unvollständigen lateinischen Übersetzung zugänglich. Dieser sog. Josephus Latinus konnte den philologischen und stilistischen Ansprüchen der humanistischen Gelehrten nicht mehr genügen. Das Wiederaufspüren des griechischen Originals sowie eine genauere und elegantere lateinische Übersetzung wurden daher im frühen 16. Jh. zu einem grossen Desiderat der respublica litteraria. Dieser Wiederentdeckungs- und Transformationsprozess der Werke des Josephus steht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Erstens wird nachgezeichnet, wie die Basler Offizin Froben, u.a. mithilfe des transnationalen Netzwerks des Erasmus von Rotterdam, aus ganz Europa griechische Handschriften dieses Autors zusammensuchte. Zweitens werden anhand erhaltener Druckvorlagen, Paratexte und weiterer Quellen die Editions- und Übersetzungsmethoden von Frobens Korrektor Sigismund Gelenius rekonstruiert, mit welchen dieser nicht nur die griechische editio princeps (Basel 1544), sondern auch zwei lateinische Neufassungen (Basel 1534 u. 1548) des Josephus erstellte. Abschliessend wird anhand der Reaktionen zeitgenössischer und späterer Gelehrter dargelegt, wie diese veränderten Textgestalten die Editions- und Rezeptionsgeschichte des Josephus in der Frühen Neuzeit - und weit darüber hinaus - tiefgreifend beeinflusst haben. Diese Studie verbindet Methoden der klassisch-philologischen Textanalyse mit Ansätzen der Überlieferungs- und Wissenschaftsgeschichte sowie der "Book History". Die wegweisenden Josephus-Editionen aus der Offizin Froben werden daher nicht nur im Hinblick auf ihre Textgestalt untersucht, sondern auch im geistes- und kulturgeschichtlichen Kontext der Schweizer Reformation, des oberrheinischen Humanismus und des Basler Buchdrucks verortet. Damit entsteht eine Fallstudie, die für altphilologische wie auch frühneuzeitliche Forschungsfelder zahlreiche Vergleichs- und Anknüpfungspunkte bereithält.
|